Erschütternd, wie es Carsten geht. Er, längst erwachsen, ist (sehr) kleinwüchsig, mehrfach behindert (geistig und körperlich), und wiegt nur noch 11kg (!). Ich könnte kotzen, so wie Carsten das immer tut.
Ja, Carsten isst nicht oder nur wenig. Das wenige kotzt er oft wieder aus. Auch eine Sonde hat nicht geholfen, auch da kotzt er. Die Mutter (der Vater, der so dringend benötigt wird, ist vor ein paar Jahren plötzlich verstorben) hat über die Jahre alles nur Erdenkliche versucht, Carsten zu helfen, ihn zum Essen zu bringen. Doch bis heute weiss keiner, warum er so wenig isst, er selbst auch nicht. Da ist guter Rat natürlich sehr teuer, wenn überhaupt erreichbar.
Carsten leidet, die Familie leidet. Man möchte sie trösten, den ultimativen guten Rat finden, sie in den Arm nehmen, sagen, es würde alles wieder gut werden. Man möchte es so gerne ob dieses Elends, jedoch es geht nicht.
Es ist eine liebenswerte Familie, sie halten zusammen, haben gerne miteinander zu tun, leben gerne, sind aufgeweckt. Doch 11kg sind eine harte Belastungsprobe, grenzwertig.
Ich weiss nicht, was sagen, tröstendes eh nicht. Wünsche mir, dass es irgendwo noch ein Licht gibt, auch wenn keiner von uns es sieht. Wunsch und Wirklichkeit, passt das zusammen bzw. ist das zusammenzubringen?
Ich habe jetzt mal nicht aufs Blog verlinkt, in dieser Situation ist es vllt. nicht so toll. Weil dann die gutgemeinten, aber hilflosen Ratschläge kommen können, die nicht gebraucht werden.
Violine - abgelegt unter
Olles - 5. Jun, 00:18
Die Menschen in dem Landkreis, aus dem ich herkomme, die kommen mir vor wie ein Kaleidoskop. Alles bunt gemischt, vllt. auch wie die Jelly Beans bei Harry Potter (ich weiss nicht mehr, ob die da so heissen, mal Rotz-Geschmack, mal Himbeer, ...).
Da hat es einfach tolle Leute, über die ich mich von Herzen freue, und die ich gar zu gerne wiedersehen möchte. Wegen denen ich am Liebsten dorthin ziehen würde.
Und dann wieder hat es da Leute, bei denen bin ich von Herzen angepisst. Leute, an denen es (zumindest in meiner Jugend, heute ist es hoffentlich anders) kein Vorbeikommen gab. Deretwegen ich froh bin, in Heidelberg zu sein.
Ich habe auch in Heidelberg die unterschiedlichsten Leute getroffen, aber man kann sie hier in Heidelberg sozusagen häufchenweise versammeln. Man kann sich besser aus dem Weg gehen - oder konkret suchen.
Kaleidoskopartig, bunt gemischt, Pünktchen für Pünktchen dagegen in meiner alten Heimat.
Violine - abgelegt unter
aus der Provinz - 1. Jun, 09:55
Die Erinnerungen an den Eumel von Geigenlehrer verblassen. Aber letzte Woche in der Geigenstunde - es war meine dritte - hatte ich einen regelrechten Flashback. Huuu! Ich habe dann später meinem neuen Geigenlehrer eine Mail dahingehend geschrieben, dass er das nicht auf sich bezieht.
Allerdings kann es nicht nur Hardcore-Anthroposophie gewesen sein, die zu der schweren Einbildung meines alten Geigenlehrers geführt hat. Das war denn doch zu viel, sodass der Unterschied zu meinem neuen Geigenlehrer krassest (tatsächlich im Superlativ) ist.
So langsam ist es verarbeitet, die Erinnerungen verblassen. Ich fühle mich wohler und spiele ausgeruhter Geige.
Am Montag hatten wir Stimmprobe (nur Stimmprobe) im Orchester. (Unser Dirigent ist schwer im Unruhestand und irgendwo unterwegs.) Weil unsere Konzertmeisterin verhindert war - auch sie irgendwo unterwegs - habe ich die Probe mit den ersten und zweiten Geigen geleitet. Es hat viel Spass gemacht und wir haben gut gearbeitet. Gemeinsam.
Ich bin ein ausgesprochener Teammensch, ich kann nur gemeinsam. Mit dem streng hierarchischen, dem Folgen-Müssen der Anthroposophen habe ich nichts am Hut. Ich denke, jeder hat ein Verständnis von dem, was er da spielt, was da in den Noten steht. Und das gilt es zusammenzuführen bzw. zu entwickeln.
Ich habe das nicht zum ersten Mal gemacht, allerdings das erste Mal seit fast zwei Jahrzehnten. Vor fast zwei Jahrzehnten war ich ein Jahr Stimmführerin der zweiten Geigen in meinem damaligen Orchester und habe genauso wie am Montag die Stimmproben geleitet. Die Leute haben gerne Stimmproben gemacht (normalerweise sind Stimmproben sehr unbeliebt) und konnten gar nicht mehr aufhören. Es ist einfach eine feine Sache, wenn man für voll genommen wird und gemeinsam arbeiten kann!
Violine - abgelegt unter
Musik - 29. Mai, 19:38
Die Fotografiererei an sich ist was Privates. Das, was ich da sehe, was ich für fotografierenswert halte, das ist mein Empfinden, das muss nicht für die Allgemeinheit gelten. Es ist mein ganz persönlicher Geschmack. Mein Auge, nicht das von jemand anders. Es können Überschneidungen vorkommen, müssen aber nicht.
Umso seltsamer (vllt. verstörender?) ist es für mich, dass man in der Regel in der Öffentlichkeit fotografiert. In der Öffentlichkeit werde ich zum Voyeur durchs Fotografieren. Vorbei ist es mit der Privatheit.
Das ist so ein Bruch, der mich immer wieder daran hindert, meinen Fotoapparat auszupacken und ein Foto zu machen. Wahrscheinlich braucht es für diese Situation Übung, Erfahrung. Anderen wird es kaum anders gehen.
Violine - abgelegt unter
Technik - 20. Mai, 17:12
Das habe ich für ein Schlagwort gehalten, das unsere leitende Fotografin in unserer Fotogruppe uns vorgab. Achtsamkeit, das Schlagwort unserer Zeit, der Trend.
Nun war ich heute auf Fototour, gleich in der Frühe. Und da wurde mir klar, dass es anders als achtsam gar nicht geht. Wer gehetzt durch die Gegend geht, den Fotoapparat im Anschlag, der wird zwar den Kirchturm sehen, weil er so gross und stattlich ist. Aber den sieht auch wirklich jeder. Andere Ein- und Ausblicke aber gehen verloren, die filigraneren, ruhigeren, leiseren. Die, die nicht so nachdrücklich da sind. Die Blume in der Mauerritze etwa. Der Vogel auf dem Dach.
Sehen lernen (durchs Fotografieren) wird nur der, der sich Zeit nimmt, bewusst durch die Gegend geht, achtsam ist.
Tja, das nächste Sujet, bei dem ich Geduld brauche, nicht nur beim Geigespielen, aber auf eine ganz andere Art, denn der Knopf selbst ist schnell gedrückt.
Violine - abgelegt unter
Technik - 18. Mai, 14:27
Musikmachen ist für mich - zumindest derzeit - besser als Therapie oder Sport. Ich werde immer noch ausgeglichener und frischer. Und es braucht nicht viel. Halbe Stunde Geige üben am Tag, und okay ist.
Ich hatte ja schon vermutet, dass mir die Geigenstunden in der Seele gut tun würden, aber auf diesen tollen Effekt war ich trotzdem nicht gefasst.
Lauter Ideen habe ich, was ich mir denn so für Noten beschaffen könnte. Ich beschaffe mir vorerst keine zusätzlichen mehr, denn ich habe genug daheim nicht nur zu spielen, sondern auch zu üben. Da ich die Vielüberei / Vielspielerei nicht mehr gewohnt bin, hat das keinen Sinn, mir noch mehr aufzuhalsen.
Irgendwie ist das für mir zurzeit wie mit Wein. Mir reicht ein Gläschen vollauf, mehr brauche ich nicht, vertrage ich nicht. So mache ich auch nicht allzuviel Musik, aber das, was ich mache, das ist intensiv.
Violine - abgelegt unter
Musik - 15. Mai, 06:15
Schon die erste Stunde Geigenunterricht hilft mir, alte Gespenster vertreiben. Gespenster, von denen ich nicht mal wusste, dass sie noch da sind.
Und mir wird immer wohler (mein Blutdruck wahrscheinlich immer besser). Ich will einfach nur normal Musik machen, ohne Sperenzchen.
Die erste Erinnerung, von der ich gar nicht mehr wusste, dass sie da ist, war die, dass wir alle so dankbar sein sollten dem Musikschuldirektor gegenüber. Und dass er streng hierarchisch war, am Liebsten nur seine (musikalische) Meinung gelten liess.
Ich war und bin da anderer Meinung. Jeder hat (seinen eigenen) Zugang zur Musik.
Das kam auf in einem Gespräch mit einem Freund. Er erzählte mir, dass er mal auf einem anthroposphischen Hof gearbeitet habe. "Alles kleine Rudis," meinte er (in Anlehnung an Rudolf Steiner) über diese Führertypen, "alles kleine Rudis."
Ich wusste nicht, dass das so stereotyp ist. Ich hatte diese seltsame Haltung einfach nicht verstanden. Ich konnte nicht mitmachen, ich konnte nicht zujubeln.
Dann wanderten die Gedanken zu einem Dirigenten, den wir lange in meinem vorigen Orchester hatten. "Narzisst" nannte ihn eine erfahrene und geschätzte Mitspielerin (leider ist sie schon verstorben). Sie wusste nicht um den anthroposophischen Background auch dieses Herrn. Ich habe auch erst jetzt zwei und zwei zusammengezählt (wir hatten mal in deren "Kirche" geprobt). Auch er tendierte dazu (je älter, je mehr), andere für musikalisch blöd zu halten. Und auf ein Level runterzubrechen, bei dem man nicht mehr spielen konnte.
Und dann diese Geniegedanke. Das war dann der Sohn des Herrn Direktors. Angeblich war er als grosses Talent bekannt, lese ich im Internet. Ich wusste damals davon nichts. Habe ihm also auch nicht zugejubelt. Also, ehrlich gesagt, habe ich mich vom ersten Moment an gefragt, ob er mich überhaupt unterrichten könne. Aber gesagt hatte ich das nicht zu seiner Mutter, die mir die Nachricht des Lehrerwechsels überbrachte.
Ja, also, der Geniegedanke. Der werte Herr war der Ansicht, dass er nicht üben müsse, dass bei ihm alles vom Himmel fiele (der Vater war auch so ein Übeverweigerer, aber andere sollten ranklotzen). Entsprechend beschissen spielte der Sohn auch. Mir war das damals nicht so klar, deswegen war es sehr irritierend für mich, als ich feststellte, dass ich von nichts besser war als er (so im Vergleich). Bei ihm fehlte das echte, ehrliche Interesse an der Musik. Krasser Unterschied zu meinem jetzigen Geigenlehrer, aber sowas von krass.
Dagegen dieser Dünkel. Doch wenn man eingebildet ist, dann kocht man nicht mit Wasser, sondern mit Brackwasser, und es wird erst recht nichts.
Der Sohn hat eine Website im Internet (jetzt macht er einen auf Geigenlehrer supertoll). Seine Diplome hat er auch auf der Website. Allerdings ohne die Noten. Die dürften alles andere als schmeichelhaft sein, möglicherweise ist er nur gerade mal so durchgekommen.
Violine - abgelegt unter
Musik - 4. Mai, 07:57